Über drei Monate lang hatte das weithin bekannte, weil auch externen Gästen zur Verfügung stehende Restaurant im Backsteinernen Clubhaus auf dem Gelände des elitären Golfplatzes Gut Lärchenhof Anfang 2025 wegen Renovierung geschlossen. Und das hat sich für das auf einer Gesamtfläche konzeptionell zweigeteilte Lokal definitiv gelohnt, denn erstens wirkt nun alles nicht nur stilvoller und wertiger, sondern wie aus einem Guss. Und insbesondere der etwas großzügiger angelegte, mit runden Tischen ausgestattete Gourmetbereich passt nun noch besser zum Niveau der Küche, die sich, seit Torben Schuster hier verantwortlich zeichnet, schon seit einigen Jahren auf Spitzenniveau präsentiert.
Dass die Unterschiede zwischen Bistro und Gourmet auf den Tellern zwar sehr groß, an den Tischen und gesamtatmosphärisch aber eher fließend sind, weil sich sowieso alles in einem Raum abspielt, insbesondere auf der Terrasse mit weitem Blick aufs top gepflegte Green, und weil dasselbe Serviceteam in beiden Bereichen agiert, mag für manche Gäste oder Guides eine Rolle spielen – für uns nicht. Wir begrüßen die dadurch eher lockere und unverkrampfte Gangart. Und für die Bewertung der Küche spielt ohnehin nur eine Rolle, was auf den Tellern liegt. In dem Fall auf denen des standardmäßig siebengängigen Degustationsmenüs aus Torben Schusters Hand, für das unser Koch des Jahres von 2023 mit herausragenden Produkten eine sehr eigenständige, weltoffene und moderne Küche auf klassisch französischem Fundament kreiert.
Durch seine prägendsten Stationen als Souschef bei Yoshizumi Nagaya in Düsseldorf und insbesondere auch beim unlängst viel zu früh verstorbenen Jonnie Boer in dessen De Librije bei Zwolle hat er Einflüsse der fernöstlichen, insbesondere japanischen Kulinarik und der schon immer sehr maritim und weltläufig geprägten niederländischen Schule auf der Platte, hat daraus aber längst eine eigene Handschrift entwickelt.
Und schon die ersten Kleinigkeiten im Fingerfoodformat zum Aperitif, eine als niederländische Spezialität bekannte Stoopwaffel, allerdings mit Gänseleber und Brombeere, sowie ein mit wohldosierter Umami-Kraft und dynamischer Säure bespieltes, davon aber nicht dominiertes Hamachi-Tatar, verdeutlichten genau wie die anschließende roh marinierte Hamburger Garnele auf Gazpacho-Sud aus gelben Tomaten, wie elegant, filigran und transparent Torben Schusters Küche sein kann.
Mit den gleichen positiven Eigenschaften, aber von der Aromenarchitektur her bereits um einiges komplexer, kam als Küchengruß ein sanft confiertes Stück vom Bachsaibling auf einem Bett aus winzigen Würfeln von Kimchi-Gemüse und exotischen Früchten daher – gepuffert von einer mit Pilzdashi aromatisierten Mayonnaise und sehr mildem Bärlauchschaum, akzentuiert von verschiedenen herben Salzkräutern on top.
Im Mittelpunkt des ersten offiziellen Gangs stand ein mit etwas Foie Gras gefülltes und davon gewinnbringend schmelzig unterfüttertes Tatar-Törtchen vom Kaisergranat mit einem dünnen, noch zart knackigen Boden aus Butternutkürbis. Gekrönt war es mit saftigen Pfirsichstreifen und am Tisch wurde noch ein vollmundig rahmiger, eher feinsäuerlich als röstaromatisch gehaltener Krustentierschaum darüber gelöffelt. Umgeben war es von einer Vinaigrette auf Buttermilchbasis, marmoriert mit Estragonöl, was dem Ganzen eine duftige Kopfnote verlieh, die wiederum sehr gut mit der Süße des glasigen Krustentierfleischs und des Pfirsichs zusammenspielte.
Auch wenn der folgende, mit Jakobsmuschel überschriebene Gang auf den ersten Blick gar nicht so aussah, weil er – wie derzeit sehr viele Gerichte von Torben Schuster – mit einer hellen Schaumsauce im Stil einer Beurre blanc nappiert war, die in diesem Fall optisch fast alles andere überdeckte, handelte es sich dabei um so etwas wie die stark verfeinerte, aber geschmacklich in keiner Weise verfremde Version eines Meeresfrüchte-Risotto. Denn die Coquille St. Jacques, die hier aus dem leicht zitrisch-floral schmeckenden Schaumteppich herauslugten und als gebratenes Exemplar sowie als darauf drapierte roh marinierte Scheiben zugegen waren, teilten sich den Teller mit Bouchot- und Herzmuscheln sowie etwas Arborio-Reis – und alles war von einem kraftvollen Bouillabaisse-Sud unterspült. Kraftvoll mediterran maritim und trotzdem schwebend leicht.
Und es blieb sehr maritim, aber weniger warmaromatisch-mediterran, als vielmehr kühl und meeresfrisch, nämlich mit im Kombu-Algenblatt gebeizten und dann in Nussbutter sanft gebratenen Kabeljau, umgeben von jeder Menge Austern, die pochiert on top, als Schaum und als kleine Stücke in einer cremigen Velouté die raue See aufs Porzellan brachten. Sanft geerdet wiederum von gegrillten jungen Erbsen und anderen gemüsigen Elementen wie zum Beispiel Rapsblüte. Und irgendwo dazwischen blitze auch immer wieder mal ein zitrusfrischer Akzent auf.
Mit der beeindruckend guten Rotbarbe, die auf einem lockerflockigen Quinoa-Bett lag und von einem kongenialen Saucenduett aus kraftvoll intensiver, dichter, rotbrauner Fisch- und Krustentierjus mit fast schon karamelligen Noten und einem auf Kokosmilch-Basis zubereiteten Schaum umgeben war, der eher in die süßlich-frische Richtung tendierte, wurden die Powerregler noch weiter aufgedreht. Auch die in kleinen, wohldosierten Tupfen auf die Rotbarbe applizierte Currycreme spielte für den Akkord dieses spannend facettenreichen, intensiven Fischgangs eine entschiedene Rolle.
Ein hervorragendes Gericht auf sehr hohem Niveau mit viel Power und Tiefe war grundsätzlich auch das über Binchotan-Kohle gegrillte Kalbsbries, das auf einer karamellisierten Roscoff-Zwiebel plaziert war, die eher für die süßlichen, würzigen Zwiebel-Facetten stand, und von cremig gefüllten Perlzwiebelchen umgeben war, die eher säuerlich-frische Seiten der Zwiebelgewächse repräsentierte. Einziger kleiner Schönheitsfehler an diesem Gericht: die nach unserem Dafürhalten zu stark reduzierte und damit zu intensive Jus, mit der das Bries am Tisch nicht bloß lackiert, sondern üppig übergossen wurde. Denn die verdickte und verdichtete gewissermaßen die darunterliegende, mit Creme von fermentiertem schwarzem Knoblauch abgeschmeckte Kalbsbouillon, die zusammen mit einem zwar durchaus etwas belüftenden, aber schon auch nochmal viel Umami ins Spiel bringenden Schaum von Epoisses-Käse die süffige Einfassung des Ganzen gab. Da hätte man sich unterm Strich mehr Transparenz gewünscht.
Zumal dann auch bei der hervorragenden, an ihrer Karkasse gegarten und mit Mandelflocken bedeckten Taubenbrust, die zusammen mit einer geleeverkapselten Praline von Geschmortem und Innereien des Vogels auf einem herzhaft pikanten, aber sehr elegant umgesetzten Ragout von Kartoffel, roter Paprika und Salzmandeln angerichtet wurde, auch wieder eine sehr stark einreduzierte dunkle Sauce im Spiel war. Diesmal natürlich eine noch mehr spezifischen Produktcharakter ins Geschehen einbringende Taubenjus. Auch dieses Gericht war zwar absolut auf dem Peak, aber dennoch balanciert. Die Serie von drei aufeinanderfolgenden Gängen mit einer dunklen Sauce, die in puncto Intensität auf die Spitze getrieben war, wirkte aber spätestens an dieser Stelle ein klein wenig too much.
Paprika spielte dann auch beim sehr guten Nachtisch eine Rolle, allerdings roh und damit frischer und herber. Im ebenso originellen wie harmonischen Zusammenspiel mit Erdbeere und einem mit Vanille aromatisierten Olivenöl war das ein spannendes Match zu verschiedenen Komponenten aus Gerste wie einem Rahmeis, einer filigranen Hippe und einem auf Basis von weißer Schokolade zubereiteten Wabenstück, dessen süßer Schmelz der sehr frischen und leichten Komposition den vollmundigen Dessertcharakter gab.
Auch wenn wir die aktuelle Momentaufnahme – isoliert und für sich betrachtet – wohl eher mit 9+ als mit 10 Pfannen bewertet hätten, können wir nach Jahren der kontinuierlichen Steigerung auch ganz ohne Bauchschmerzen und zugedrücktes Auge bei der Höchstbewertung bleiben. Zumal unter der Berücksichtigung eines Individualitätsbonus, den man Torben Schuster problemlos zugestehen kann. Denn nichts auf seinen Tellern wirkt schablonenhaft, alles schmeckt irgendwie neuartig und kreativ. Und das auf einem grundsätzlichen Gesamtniveau, mit dem die Küche im deutschen Gesamtvergleich sehr weit oben mitspielt.